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Dezember 2023

Öffentliches Bau- und Planungsrecht

Änderungen der Bayerischen Bauordnung zur Erteilung von Abweichungen

Bekanntlich gilt seit Mitte des Jahres eine Änderung des für die Erteilung von Abweichungen – u. a. von den Abstandsflächenvorschriften – relevanten Art. 63 BayBO.

Die bisherige „Kann-Vorschrift“ ist nunmehr eine „Soll-Vorschrift“. Der neue Art. 63 Abs. 1 S. 2 BayBO nennt dabei beispielhaft, jedoch nicht abschließend vier Anwendungsfälle, bei denen Abweichungen zugelassen werden sollen:

  1. Vorhaben, die der Weiternutzung bestehender Gebäude dienen,
  2. Abweichungen von den Anforderungen des Art. 6, wenn ein rechtmäßig errichtetes Gebäude durch ein Gebäude höchstens gleicher Abmessung und Gestalt ersetzt wird,
  3. Vorhaben zur Energieeinsparung und Nutzung erneuerbarer Energien,
  4. Vorhaben zur Erprobung neuer Bau- und Wohnformen.

In der Gesetzesbegründung wird hierzu maßgeblich auf folgendes hingewiesen: „Art. 63 Abs. 1 S. 1 schreibt künftig vor, dass die Bauaufsichtsbehörden Abweichungen von Anforderungen dieses Gesetzes und auf Grund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften zulassen sollen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 S. 1 vereinbar sind. Bei inhaltlich unveränderten tatbestandlichen Voraussetzungen wird der Ermessensspielraum der unteren Bauaufsichtsbehörden gegenüber der bisherigen „Kann-Vorschrift“ zugunsten der Antragsteller eingeschränkt. Die „Soll-Vorschrift“ des bisherigen Satzes 2, nach der Abweichungen von Art. 6 zugelassen werden sollten, wenn ein rechtmäßig errichtetes Gebäude durch ein Wohngebäude höchstens gleicher Abmessung und Gestalt ersetzt wird, wird um weitere Fallgruppen, in denen Abweichungen in Betracht kommen, ergänzt.“

Obwohl auf den ersten Blick Erleichterungen für die in der Praxis wichtigen Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Vorschriften geschaffen werden, vertreten weiterhin einzelne Verwaltungsgerichte die Auffassung, dass nach wie vor eine Atypik erforderlich sei: BayVGH Urt. v. 23.5.2023 – 1 B 21.2139; BayVGH Beschl. v. 19.9.2023 – 15 CS 23.1208.

Ob mit der Änderung des Art. 63 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayBO die Anforderungen an Abweichungen wegen Nichteinhaltung von Abstandsflächen deutlich erleichtert werden, bleibt offen, da auch weiterhin seitens der Genehmigungsbehörden die öffentlichen und insbesondere die nachbarlichen Interessen zu berücksichtigen sind.

 

Geplante Novellierung des BauGB 2024

Neben der für 2024 geplanten umfassenden Novellierung des BauGB, der BauNVO wie auch der TA Lärm liegt zwischenzeitlich der Gesetzentwurf zur Einführung einer befristeten Sonderregelung für den Wohnungsbau in Gestalt des § 246e BauGB in Gebieten mit einem nach § 201 BauGB angespannten Wohnungsmarkt vor. Danach kann in diesen Gebieten bis zum 31.12.2026 mit Zustimmung der Gemeinde von den Vorschriften des BauGB oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden, wenn die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist und einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:

  1. der Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes mit mindestens sechs Wohnungen,
  2. der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohn-zwecken dienenden Gebäudes, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird, oder
  3. der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohn-zwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.

 

Abzuwarten bleibt, wann und ggf. mit welchen Änderungen diese Regelung in Kraft treten wird und welche praktische Relevanz dieser Vorschrift in zukünftigen Genehmigungsverfahren zukommen wird. Insoweit hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, dass zur Wahrung der kommunalen Planungshoheit – vergleichbar der Regelung in § 31 Abs. 3 BauGB – eine Zustimmung der Gemeinde und nicht nur ein – ersetzbares – Einvernehmen erforderlich ist. Diese Zustimmung kann nicht durch die Höhere Verwaltungsbehörde ersetzt werden. Sie gilt als erteilt, wenn die Gemeinde nicht binnen zwei Monaten die Zustimmung verweigert.

Der angedachte Erfolg dieser weitreichenden Regelung hängt ganz maßgeblich von der Haltung der betroffenen Gemeinden ab. Sofern diese an einem restriktiven Kurs in ihrem Gemeindegebiet festhalten, wird die Vorschrift keine wesentlichen Erfolge beim Wohnungsbau bringen.

 

Berechnung der Abstandsflächen von Giebelflächen in München, Art. 6 Abs. 5a S. 3 BayBO

In unserer aktuellen Beratungspraxis lässt sich derzeit eine neue Tendenz der Lokalbaukommission München in Hinblick auf die Berechnung der Abstandsflächen von Giebelflächen (die Höhe der Giebelflächen im Bereich des Dachs wird bei Dachneigung von mehr als 70 Grad voll, im Übrigen zu einem Drittel angerechnet, vgl. Art. 6 Abs. 5a S. 3 BayBO) bei z. B. abgeschnittenen Sattel- oder Mansarddächern feststellen.

Demnach darf die Drittel-Privilegierung der Giebelfläche nach Art. 6 Abs. 5a Satz 3 BayBO nur dann zur Anwendung kommen, wenn dieser Wandteil eine Giebelwand im Wortsinn darstellt und somit einen erkennbaren „Verjüngungseffekt“ nach oben aufweist. Wenn dieser Verjüngungseffekt, zB. aufgrund eines stark abgeschnittenen Satteldachs, nicht mehr vorhanden ist, weil der obere („abgeschnittene“) Teil der Giebelfläche fehlt, darf die Privilegierung nicht mehr zur Anwendung kommen und es sind auch insoweit die vollen Abstandsflächen einzuhalten. Es ist demnach immer zu prüfen, ob die Höhe der bestehenden trapezförmigen Giebelfläche mehr als die Hälfte der Höhe der fiktiven Dreiecksfläche eines gedachten (vollen) Satteldachgiebels beträgt. Bestätigt wird diese Sichtweise der Genehmigungsbehörde durch  die Entscheidung der 8. Kammer des Verwaltungsgerichts München vom 30.05.2022 (M 8 K 20.6692).

 

Mietrecht, Immobilienrecht

Auskunftsanspruch des Mieters zu baurechtlichen Genehmigungen

Der Vermieter von Gewerberaum ist auf Nachfrage verpflichtet, dem Mieter die für die mietvertragliche Nutzung vorausgesetzten baurechtlichen Genehmigungen (in Kopie) auszuhändigen. Im konkreten Fall wurde das Mietobjekt zum Betrieb einer Arztpraxis vermietet. Der Vermieter verpflichtete sich im Mietvertrag zur Erlangung einer entsprechenden Nutzungsänderungsgenehmigung, verweigerte dem Mieter später aber die Herausgabe einer Kopie der erteilten Genehmigung.

Das OLG Brandenburg bestätigte den Herausgabeanspruch des Mieters. Zwischen den Parteien eines Mietvertrags besteht eine besondere rechtliche Beziehung, so das Gericht. Deshalb hat jede Partei die andere über ihr bekannte Umstände aufzuklären, die für das Zustandekommen des Vertrags, seine ordnungsgemäße Durchführung und die Erreichung des Vertragszwecks von entscheidender Bedeutung sind. Für den Mieter war die Kenntnis darüber von entscheidender Bedeutung, ob und in welchem Umfang eine baurechtliche Genehmigung für seine mietvertragliche Nutzung besteht. Dem Gericht zufolge war auch kein entgegenstehendes Interesse des Vermieters erkennbar.

(OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.06.2023, Az. 3 W 23/23)

 

WEG-Aufteilung bei rechtmäßigem Überbau einer Tiefgarage

Dem Bundesgerichtshof lag ein Fall zur Entscheidung vor, in dem die Tiefgarage eines nach WEG aufzuteilenden Gebäudes in das Nachbargrundstück hinein überbaut war. Auf dem Nachbargrundstück war auf den überbauten Teilen der Tiefgarage ein aufstehendes Gebäude errichtet, welches notwendigerweise Verbindungen zum Tiefgaragenkörper aufweist.

Dem BGH zufolge stehen diese Verbindungen des Tiefgaragenkörpers mit dem aufstehenden Gebäude auf dem Nachbargrundstück einer Einordnung der Tiefgarage als einheitliches Gebäude nicht entgegen. Wenn die Tiefgarage als Ganzes über eine Zufahrt vom Stammgrundstück aus erreichbar ist und die Verbindungen zu den aufstehenden Gebäuden primär deren Standsicherheit dienen, dann ist die Tiefgarage bei funktionaler und wirtschaftlicher Betrachtung als eigenständige Einheit und als einheitliches Gebäude anzusehen, so der BGH. Beim rechtmäßigen Überbau ändert sich die eigentumsrechtliche Zuordnung nicht dadurch, dass auf den überbauten Teilen der Tiefgarage Gebäudeteile des Nachbargrundstücks errichtet sind. Dementsprechend steht der Überbau der Tiefgarage in das Nachbargrundstück hinein einer WEG-Aufteilung nicht entgegen.

(BGH, Beschluss vom 15.06.2023, Az. V ZB 12/22)

 

Modernisierung der GbR ab 01.01.2024

Ab 01.01.2024 gelten neue gesetzliche Regelungen für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die Neuregelungen sind enthalten im Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) und führen zu Änderungen in einer Vielzahl von Einzelgesetzen.

Künftig wird unterschieden zwischen der nichtrechtsfähigen GbR und der rechtsfähigen, unternehmerisch tätigen GbR. Eine GbR kann zukünftig in das neue Gesellschaftsregister eingetragen werden und trägt dann den Rechtsformzusatz „eGbR“. Es besteht grundsätzlich keine Eintragungspflicht.

Wenn die GbR aber über Immobilieneigentum verfügt und ab 01.01.2024 hieran rechtliche Veränderungen vornehmen will, die im Grundbuch einzutragen sind, besteht ein faktischer Zwang zur Registereintragung. Der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken wie auch die Verfügung über Grundstücksrechte setzen dann die Eintragung der GbR im Gesellschaftsregister voraus.