Mandanteninformation
März 2024

Öffentliches Bau- und Planungsrecht

1.

Die Stadt München überlegt derweil, inwieweit die bestehende Stellplatzsatzung modifiziert bzw. vollständig abgeschafft werden soll. Zu empfehlen ist in diesen Fällen, dass aktuelle Ablöseverträge unter den Vorbehalt einer Rückzahlung für den Fall gestellt werden, dass die Satzung innerhalb eines bestimmten Zeitraums aufgehoben wird. Wir halten Sie unterrichtet.

2.

Zudem hat die Stadt München im Herbst 2023 eine Novellierung der Baumschutzverordnung beschlossen, das formelle Verfahren zur Änderung der Verordnung soll voraussichtlich im April beginnen. Geplant sind u. a. die Ausdehnung der Baumschutzverordnung auf Bäume mit einem Stammumfang ab 60 cm (bisher 80 cm), gemessen in einer Höhe von 1 m über dem Erdboden sowie die Einbeziehung von Obstbäumen und größeren Klettergehölzen in den Regelungsumfang der Verordnung.

 

Im Hinblick hierauf sollte bei einer geplanten Neubebauung bereits jetzt geprüft werden, ob weitere Bäume unter diese Neuregelung fallen und dem geplanten Vorhaben entgegenstehen können. Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass mit Ausnahme von Pflegeschnitten größere Rückschnitte und Fällungen auch bei bisher nicht unter die Baumschutzverordnung fallenden Bäumen und Gehölzen nur außerhalb der Schutzzeiten zulässig sind.

 

Zudem lässt sich derzeit noch nicht absehen, ob bei bereits genehmigten, aber noch nicht begonnenen Bauvorhaben nachträglich eine Fällerlaubnis für ggf. vorhandene Bäume ab einem Stammumfang von 60 cm – ggf. mit der Verpflichtung zur Ersatzpflanzung – eingeholt werden muss. 

 

Interessant ist zudem eine Entscheidung des BGH vom 11. Juni 2021 zum Rückschnittsrecht des Nachbarn bei über die Grenze ragenden Baumteilen. Danach ist ein aus dem Selbsthilferecht des § 910 Abs. 1 BGB resultierendes Rückschnittsrecht nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil durch die Beseitigung des Überhangs das Absterben des Baumes oder der Verlust seiner Standfestigkeit droht. Der BGH weist in dieser Entscheidung u.a. darauf hin, dass „das Selbsthilferecht aus § 910 Abs. 1 BGB im Ausgangspunkt ohne Einschränkungen besteht, wenn seine tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen. Beschränkt ist es allein dadurch, dass dem Eigentümer das Recht nach Abs. 2 nicht zusteht, wenn die Wurzeln oder Zweige die Benutzung seines Grundstücks nicht beeinträchtigen. Eine Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitsprüfung, mit der der Ausschluss des Selbsthilferechts teilweise begründet wird (oben Rn. 19), ist gesetzlich nicht vorgesehen und widerspräche den Vorstellungen des Gesetzgebers. Dieser hat sich bewusst für eine einfache und allgemein verständliche Ausgestaltung des Selbsthilferechts entschieden, die eine rasche Erledigung etwaiger Zwistigkeiten zwischen den Nachbarn ermöglicht (vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. III S. 593). Diesem Ziel liefe es zuwider, wenn der durch den Überhang beeinträchtigte Nachbar von dem Selbsthilferecht nur unter der Voraussetzung Gebrauch machen dürfte, dass das Abschneiden der Wurzeln oder Zweige die Standfestigkeit des Baumes nicht gefährdet noch aus sonstigen Gründen zum Absterben des Baumes führen kann, was sich in vielen Fällen nicht ohne Hinzuziehung eines sachverständigen oder zumindest sachkundigen Dritten beurteilen lassen wird.“ (BGH, Urteil vom 11. Juni 2021 – Az.: V ZR 234/19 –, Rn. 23 – 25, juris)

 

Unabhängig hiervon sind bei solchen Maßnahmen auch hier die naturschutzrechtlichen Beschränkungen des Rückschnitts, wie z. B. Schutzzeiten und geltende Regelungen in Baumschutzverordnungen u. a. zu beachten.

3.

In unserer Beratungspraxis lässt sich aktuell eine Verschärfung der behördlichen Anforderungen an die bauordnungsrechtliche Erschließung von (gefangenen) Hinterliegergrundstücken ohne direkte Straßenanbindung erkennen. Nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayBO ist das Anliegen an eine öffentliche Straße dann nicht erforderlich, wenn das Baugrundstück über einen Privatweg begrenzter Länge (ca. 80 m) erschlossen wird und sich auf dem Baugrundstück nur Wohngebäude der Gebäudeklasse 1 bis 3 befinden. Bislang wurde es seitens der Baugenehmigungsbehörden dann als ausreichend erachtet, wenn für den Privatweg eine rechtliche Sicherheit in Form eines dinglichen Wegerechts zu Gunsten des Bauherrn vorgelegt wurde und gleichzeitig ggü. der Baugenehmigungsbehörde die Verpflichtung abgegeben wurde, dass diese Grunddienstbarkeit nur mit Zustimmung der Baugenehmigungsbehörde gelöscht oder verändert werden dürfe und diese Verpflichtung im Falle der Veräußerung des Grundstücks an den Rechtsnachfolger weitergegeben werde. Dies stand auch im Einklang mit der Rechtsprechung des 15. Senats des BayVGH (Urt. v. 30.10.2014 – Az.: 15 B 13.2028), der diese „Einfachsicherung“ als ausreichend angesehen hatte. Aufgrund einer jüngeren Entscheidung des 6. Senats des BayVGH (Beschl. v. 26.04.2022 – Az.: 6 ZB 21.3233) fordern aber mittlerweile immer mehr Genehmigungsbehörden, dass in jedem Fall eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu Gunsten der Baugenehmigungsbehörde bestellt sein muss; eine Dienstbarkeit allein zu Gunsten des Bauherrn wird nicht mehr als ausreichend angesehen.

Insbesondere bei Grundstücken, die vor der Entscheidung des BayVGH aus dem Jahr 2022 erworben wurden, kann das Fehlen der Dienstbarkeit zu Gunsten der Baugenehmigungsbehörde problematisch werden, da eine solche vom Eigentümer des Vorderliegergrundstücks bewilligt werden müsste. Auch bei aktuellen Kaufentscheidungen sollte vertraglich in jeden Fall die Eintragung einer Dienstbarkeit zu Gunsten der Baugenehmigungsbehörde vorgesehen werden.  

 

Privates Baurecht, Architektenrecht

Der Bundesgerichtshof hat sich neuerlich mit der Frage der Rechtsfolgen der AGB-rechtlichen Unwirksamkeit einer Abnahmeklausel in einem Bauträgervertrag beschäftigt
(Baurecht 2024, 273).

1.

In jenem Fall wurde die Wohnanlage in den Jahren 2005 und 2006 durch den Bauträger erstellt. Alle Wohnungen konnte er noch im Jahre 2005 verkaufen. Für die „Übergabe/Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums“ beauftragte und bevollmächtigte jeder Käufer unwiderruflich den Verwalter. Beim Verwalter handelte es sich (vereinfacht gesagt) um eine Tochtergesellschaft des Bauträgers. Im Jahre 2005 rügte die WEG Planungs- und Ausführungsmängel. Diese wurden auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Bauträger, seinem Generalbauunternehmer und dem planenden Architekturbüro beseitigt. Weitere Mängel rügte die WEG im Jahre 2012. Bezüglich dieser Mängel kam es zum Abschluss eines Vergleichs zwischen dem Bauträger und der WEG, dieser wurde im Jahre 2013 abgewickelt. Auf einer Eigentümerversammlung vom 20.04.2014 wurde „die Unwirksamkeit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums festgestellt“. In der Folge wandten sich einzelne Eigentümer wie auch die Verwalterin der WEG mit Mängelrügen und der Forderung nach einer Abnahme an den Bauträger. Dieser stellte die Mängel in Abrede und berief sich auf Verjährung. Auf einer Eigentümerversammlung vom 27.11.2018 wurde beschlossen, dass die Ausübung der Nacherfüllungs- und Mängelansprüche der Wohnungseigentümer als Erwerber gegen die Beklagte am gemeinschaftlichen Eigentum auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übertragen wird. Am 02.06.2020 erhob die WEG Klage insbesondere auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mangelbeseitigung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der WEG blieb ebenfalls erfolglos. Auf Revision der WEG hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das zentrale Argument der Berufungsinstanz war, dass ein rechtsmissbräuchliches widersprüchliches Verhalten der WEG vorliegt, wenn diese in der Vergangenheit zweimal Mängelansprüche wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums geltend gemacht hat, die von dem in Anspruch genommenen Bauträger jeweils reguliert wurden, und sie sich später bei der klageweisen Geltendmachung weiterer Mängelansprüche gegenüber der vom Bauträger erhobenen Einrede der Verjährung auf das Fehlen einer wirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums beruft.

Dass die Regelung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentum in den Bauträgerverträgen unwirksam war, hat der BGH bereits im Jahre 2013 entschieden, in der Revisionsinstanz war dieser Punkt auch nicht mehr streitig.

Als unzutreffend erachtete der BGH aber die Annahme des Berufungsgerichts, im Rahmen der Verjährung sei eine Abnahme des Gemeinschaftseigentum spätestens im Jahre 2013 zu unterstellen mit der Folge, dass die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche bei Klageerhebung bereits verjährt gewesen seien, weil es der WEG wegen widersprüchlichen Verhaltens unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sei, sich im Rahmen der Verjährung auf das Fehlen der Abnahme berufen zu dürfen. Hierin liege kein widersprüchliches Verhalten der WEG. Interessant an dem Urteil des BGH ist aber auch die Begründung, weshalb das Verfahren an die Vorinstanz zurückverwiesen wurde. Zum einen könne eine konkludente Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgt sein, worüber der BGH aber keine Entscheidung treffen konnte, da das Berufungsgericht zu derartigen Abnahmen keine Feststellung getroffen hat. Zum anderen müsse auch der vom Bauträger vorgebrachte Einwand der Verwirkung überprüft werden, was dem BGH ebenfalls nicht möglich war, weil das Berufungsgericht auch zu dessen Voraussetzungen keine Feststellungen getroffen hat.

2.

In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, wann ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i BGB anzunehmen ist. Das Urteil vom 26.10.2023 (Baurecht 2024, 254) des BGH bringt erneut etwas Klarheit zu dieser Frage. In jenem Fall beauftragte der Beklagte die Klägerin (Bauunternehmen) mit der Ausführung von Rohbauarbeiten zur Errichtung eines neuen Bürogebäudes. Nach Fertigstellung der Arbeiten legte die Klägerin ihre Schlussrechnung vom 02.05.2018 vor, die vom Beklagten vollständig beglichen wurde. Im Jahre 2018 beauftragte der Beklagte die Klägerin sodann zu verschiedenen Zeitpunkten mit der Verlegung des Estrichs, mit der Ausführung von Trockenbauarbeiten, mit Zimmererarbeiten und mit Stundenlohnarbeiten hinsichtlich des Treppenhauses. Am 27.12.2018 stellte die Klägerin Schlussrechnungen betreffend die Estrichverlegung, die Trockenbauarbeiten und die Zimmerarbeiten. Am 28.04.2020 legte sie eine zusammenfassende Schlussrechnung über die Arbeiten samt den Stundenlohnarbeiten betreffend das Treppenhaus vor. Den von ihr als offen errechneten Schlussrechnungsbetrag machte die Klägerin mit der Klage geltend und zudem den Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gemäß § 650f BGB. Diesen Anspruch bestritt der Beklagte unter anderem mit dem Hinweis auf § 650f Abs. 6 BGB, wonach eine solche Bauhandwerkersicherheit nicht zu leisten ist, wenn der Auftraggeber ein Verbraucher ist und es sich um einen Verbraucherbauvertrag gemäß § 650i BGB handelt. Dieses Argument lehnte der BGH (wie auch schon die Vorinstanz) ab. Denn bei der Beurteilung, ob es sich um einen Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650i Abs. 1 BGB handelt, komme es nicht auf die Gesamtheit aller dem Unternehmer sukzessive im Verlauf der Bauarbeiten erteilten selbstständigen Aufträge an. Denn die Folgeaufträge seien jeweils selbstständig nach Abschluss der Rohbauarbeiten sukzessiv erteilt worden. Es komme daher nicht darauf an, ob die Verpflichtung aus dem Vertrag über die Rohbauarbeiten und aus den Folgeverträgen insgesamt ausreichen würde, um anzunehmen, dass sie den „Bau eines neuen Gebäudes“ umfassen, weil auf sie mehr als 80 % der insgesamt zu erwartenden Vergütung entfalle.

 

Mietrecht

Das gesetzliche Schriftformerfordernis ist in § 550 BGB geregelt:

Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit.

 

Systematisch handelt es sich um eine Bestimmung für Wohnraummietverträge. In
§ 578 Abs. 1 BGB wird die Geltung des § 550 BGB auf Grundstücke, und in § 578 Abs. 2 BGB darüber hinaus auf Räume, die keine Wohnräume sind, insbesondere also Geschäftsräume, erweitert.

 

Die Intention der Regelung ist es, den Erwerber der vermieteten Immobilie zu schützen. Sind vertragliche Regelungen getroffen, welche nicht der Schriftform entsprechen und demzufolge für den Erwerber nicht erkennbar und prüfbar sind, so soll sich der Erwerber aus einer womöglich langen Vertragsbindung befreien können und den Mietvertrag ordentlich kündigen können, bei Geschäftsraummietverhältnissen spätestens am dritten Werktag eines Quartals zum Ablauf des nächsten Quartals.

Die höchst umfangreiche Rechtsprechung zur gesetzlichen Schriftform hat zu fragwürdigen Entwicklungen geführt. Häufig werden Schriftformmängel zum Anlass genommen, um sich von einem Mietvertrag zu lösen, der einer Mietvertragspartei aus anderen Gründen unliebsam geworden ist. Der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zufolge gelten die Konsequenzen eines Schriftformverstoßes auch für die ursprünglichen Mietvertragsparteien.

 

Dem Missbrauch der Schriftformregelung bei gewerblichen Mietverhältnissen soll nun durch eine Änderung im Rahmen des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes begegnet werden. Im Referentenentwurf vom 11.01.2024 heißt es:

[Noch offen: In § 578 Abs. 1 wird die Angabe „550,“ gestrichen.]

 

Wird dies Gesetz, bedeutet diese Streichung in der Konsequenz, dass die gesetzliche Schriftform gemäß § 550 BGB für Mietverhältnisse über Grundstücke und Geschäftsräume sowie sonstige Nichtwohnräume künftig nicht mehr gelten soll. Gewerbliche Mietverhältnisse können dann formfrei auch für lange Zeit fest vereinbart werden.

Dem Referentenentwurf zufolge bleibt ein Erwerber auch nach Streichung des Schriftformerfordernisses in Zukunft hinreichend geschützt. Es sei davon auszugehen, dass ein Großteil der Verträge weiterhin schriftlich oder in Textform abgefasst werde und ein Erwerber jedenfalls bei größeren Transaktionen eine Due Diligence-Prüfung durchführen werde.

In der Praxis steht, für den Fall eines künftigen Wegfalls des gesetzlichen Schriftformerfordernisses, zu erwarten, dass gewerbliche Mietverträge künftig verstärkt einem vertraglichen Schriftformerfordernis unterworfen werden. Solche vertraglichen Möglichkeiten eröffnen eine große Bandbreite an individuellen Gestaltungen, von der Frage des Geltungsumfangs bis hin zu möglichen unterschiedlichen Rechtsfolgen. Hinzu kommt die Möglichkeit formfreier Änderungen einer Schriftformvereinbarung. Die angestrebte gesetzliche Änderung könnte in Zukunft also neue Rechtsfragen aufwerfen und die Gerichte verstärkt mit der Prüfung von Schriftformvereinbarungen befassen.

Der vorgesehenen Übergangsregelung zufolge soll das Schriftformerfordernis gemäß § 550 BGB für vor dem Inkrafttreten der Neuregelung geschlossene Mietverträge ein Jahr weitergelten, nicht jedoch für danach geschlossene Mietverträge und für danach erfolgte Änderungen und Ergänzungen von Altverträgen. Soweit eine mögliche Kündigung gewerblicher Mietverhältnisse wegen Schriftformmängeln im Raum stehen sollte, sind die sich aus dem weiteren Gesetzgebungsverfahren und der Übergangsregelung ergebenden Fristen zu beachten.